

Das Vertrauen in die Demokratie und in das gute Miteinander hat bei vielen stark gelitten. Themen wie
Klimawandel, Migration oder Gendern sind zur Identitätsfrage aufgeladen. Auf der Strecke bleiben eine
konstruktive Gesprächskultur und gesellschaftliche Verantwortungsübernahme.
Vertrauen ist die Basis, um Ideen für unsere gemeinsame Zukunft als Gesellschaft umzusetzen. Dazu
braucht es den Austausch, gerade mit denjenigen, die anderer Meinung sind. Wie das funktionieren kann,
zeigten praktische Ansätze in Zivilgesellschaft, Journalismus und Politik auf dem SocialSummit 2024.
Ein sicherer Arbeitsplatz, Gesundheit, individuelle Freiheit, wirtschaftlicher Erfolg, ein gutes Klima, Zufriedenheit: All dies ist für viele Menschen sehr wichtig. Für sie persönlich und für die Gesellschaft. Aber worum geht es wirklich, wenn wir nur noch wenige Tage zu leben hätten? Was hat einen echten Wert für ein gutes Leben? Und was nützt ein gut gefülltes Bankkonto, wenn das Klima auf der Erde nicht mehr lebenswert ist? Sicher ist, es geht um mehr als nur Geld. Auf dem SocialSummit 2023 haben wir darüber gesprochen, wie Werte unser Handeln bestimmen können – gerade in Zeiten multipler Krisen. Klar ist: Zukunft braucht Werte – egal, ob wir Wohlstand sichern, Klimawandel bewältigen oder Freiheit erhalten wollen. Aber es braucht auch Geld, um nach diesen Werten leben zu können. Können wir uns also überhaupt zwischen Geld und Leben entscheiden?
Das Wohl aller in einer Gesellschaft ist ein hohes Gut. Dieses gilt es zu schützen. So steht es auch im Grundgesetz. Aber schon bei der Frage, wie dieser Optimalzustand anzusteuern sei, setzt die Reibung ein: Kompromisse, Solidarität, Multiperspektivität, nicht alle wollen es, nicht alle können es. Was geht mich der Klimawandel an? Wem nutzt das Rasen auf der Autobahn? Wie hoch dürfen Mieten sein? Warum impfen lassen? Es geht um das Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit und Gemeinwohl. Wer bestimmt, wer fühlt sich überhört, übersehen, übergangen? Weiß es jemand am besten? Und wenn nicht: Wie kommt ein Wir aus Politik, Wirtschaft und Individuen zu Lösungen, die möglichst vielen Menschen helfen?
Um Demokratie lebendig zu halten, brauchen wir nicht nur Menschen, die sich für Demokratie einsetzen und immer wieder um demokratische Entscheidungen ringen. Wir brauchen Zeit, um neue Perspektiven zu entwickeln und viele Menschen in diesem Prozess mitzunehmen. Doch wie gehen wir mit Fragen um, für die es offensichtlichen Handlungsdruck gibt? Wie bleiben wir mit denen im Austausch, die schnellere Antworten einfordern? Und wie treffen wir langfristige Entscheidungen in einem durch Wahlen und kurzfristige taktische Überlegungen bestimmten Politikbetrieb?
In Krisenzeiten gewinnen Politik und Kommunikation an Bedeutung. Gerade dann, wenn politische Ent- scheidungen weitreichende Folgen für das Leben der Menschen, für die Wirtschaft, für die Zivilgesellschaft haben, ist klare und offene Kommunikation wichtig. Der Faktor Zeit spielt eine entscheidende Rolle. Vor allem, wenn das öffentliche Leben, so wie wir es kannten, von jetzt auf gleich zum Erliegen kommt und neue Formen der Kommunikation und der politischen Beteiligung eine breite Nutzung erfahren. In Krisen- zeiten stellen sich bestimmte Fragen neu: Wie bleiben wir miteinander im Diskurs, wie bleibt Partizipation lebendig und was bedeutet das für andere wichtige gesellschaftspolitische Themen?
Im Vergleich zu vielen anderen Ländern der Welt, ist hier in Deutschland, das demokratische Grundverständnis, die Medienvielfalt, das zivilgesellschaftliche Engagement und der Ansporn, Dinge mitgestalten zu wollen, stark ausgeprägt. Trotzdem führen wir immer wieder die Diskussion über die zerrissene Gesellschaft und fragen uns: Was brauchen wir, um unsere Gesellschaft zusammenzuhalten? Braucht es wirklich mehr Kommunikation, Begegnung und Partizipation? Oder brauchen wir in der heutigen Zeit etwas ganz anderes?
Es scheint immer komplizierter zu werden herauszufinden, was wirklich wahr ist. Auf ein und dieselbe Frage kann es verschiedene Antworten geben. Wie verifizieren wir Wahrheit? Gibt es dafür überhaupt konsensfähige Kriterien? Was brauchen wir in der heutigen Zeit, um Wahrheit(en) zu selektieren? Wie gehen wir mit der Herausforderung um, Wahrheit zu vermitteln, ohne zu überfordern? Und was bedeutet das für unser gesellschaftliches Regelwerk und unser Miteinander?
„Es könnte alles so einfach sein – ist es aber nicht“, so die Popmusik. Aber könnte es das wirklich? Greifen einfache Antworten und Beschreibungen heutzutage nicht zwangsläufig zu kurz? Woher kommt das Bedürfnis, Sachverhalte nicht aufgrund von Fakten, sondern eher aus einem Gefühl heraus zu beurteilen? Unsere Welt wird immer komplexer. So eine gängige Diagnose, die uns alltäglich begegnet. Aus der gestiegenen Komplexität leitet sich zunehmend das Gefühl einer Überforderung ab, dem die Menschen mit einem Wunsch nach Reduktion begegnen. Aber wie gehen wir mit diesem Wunsch um? Reagieren wir nur noch statt selbst zu agieren? Müssen wir lernen, Komplexität und Nicht-Wissen auszuhalten, oder brauchen wir mehr Menschen die komplexe Sachverhalte verständlich transportieren? Können wir überhaupt einfach antworten, ohne plakativ zu werden? Und was heißt das für unser gesellschaftliches Miteinander?
Demokratie lebt vom Diskurs und von der Konsensbildung. Doch was droht, wenn Streitkultur zum Stillstand kommt und Mehrheiten sich abseits von demokratischen Grundwerten organisieren? Demokratie braucht Menschen, die sich gemeinschaftlich für den Erhalt der demokratischen Grundwerte einsetzen und trotz unterschiedlicher Auffassung zu konstruktiven Lösungen kommen. Welche Strukturen sind dafür notwendig? Und wie motivieren wir Menschen, sich an dieser Debatte zu beteiligen? Wie schaffen wir den Brückenschlag zwischen Politik, Medien und Zivilgesellschaft?
Unsere Gesellschaft verändert sich rasant. Rollenwandel, Veränderungen in der Arbeitswelt und Vielfalt in der Gesellschaft erfassen alle Lebensbereiche und verlangen neue Lösungen. Und noch ist kaum absehbar, wo die Reise hingeht. Wie Seefahrer, die in unbekannte Meere aufbrechen, brauchen wir Mut und Neugierde, uns den Herausforderungen zu stellen. Wir brauchen Vorreiter, die zeigen, dass Veränderungsprozesse neue Möglichkeiten für unsere Demokratie und unser gesellschaftliches Zusammenleben eröffnen. Doch wie schaffen wir Freiräume für neue Ansätze? Welche Rahmenbedingungen brauchen wir, um Wandel zu gestalten?