„Es reicht nicht Komplexität zu problematisieren. Viel wichtiger ist es, sich auf alltägliche Probleme zu konzentrieren. Ein entscheidender Faktor ist, dass Politiker ansprechbar sind. Aber auch Politiker müssen die Menschen ansprechen. Kommunikation kann hier ganz einfach sein. Im direkten Gespräch müssen wir uns als Person präsentieren. Wir müssen unsere Standpunkte erklären, aber auch Differenzen aushalten. Es reicht zum Beispiel nicht, Menschen mit rechter Gesinnung moralisch zu verurteilen. Wichtig ist mit ihnen über gesellschaftliche Zusammenhänge zu sprechen und Konsequenzen aufzuzeigen.“
Wahrheit ist nicht ein Ding, sondern eine Bewertung zwischen Menschen. Nichts außerhalb unserer psychischen, neuronalen und biologischen Begrenztheit ist ‚wahr’, denn Wahrheit ist ein Begriff, der außerhalb menschlicher Kommunikation keine Rolle spielt. Menschen kommunizieren miteinander, nicht weil sie einen „Gesellschaftsvertrag“ geschlossen haben, sondern weil sie soziale Wesen sind. Wahrheit wird durch Vertrauen in soziale Institutionen vermittelt, die für die Symbolisierung von Wahrheit als zuständig und legitimiert angesehen werden. Wirtschaftliche und kulturelle Modernisierung haben die alten Wahrheits-Institutionen geschwächt; die dramatische Neustrukturierung der Kommunikation führt zu einer irrationalen Fokussierung auf das individuelle ‚Gefühl’.
Unser Problem mit der Wahrheit ist, dass sie so schmerzhaft ist, dass wir uns nicht eingestehen können, dass sie die Wahrheit ist. Das Problem der Wahrheit ist häufig nicht, dass wir sie nicht kennen, sondern, dass wir sie nicht anerkennen wollen. Wer aber etwas als wahr anerkennt, hat das Bedürfnis, es mit anderen zu teilen. Die Wahrheit stiftet Gemeinschaft. Wenn wir heute von einer Krise der Wahrheit sprechen, sprechen wir eigentlich von einer Krise des Vertrauens in die Institutionen, die in unserer Gesellschaft die Aufgabe und Methoden haben, Wahrheit festzulegen.
Sprache kann Unwahrheit transportieren, ohne dass direkt gelogen wird. Daher muss die Verwendung von Begriffen immer wieder hinterfragt werden, im Gespräch wie auch im medialen Diskurs. Denn Wahrheit bedeutet, nach bestem Wissen und Gewissen Sachverhalte so zu beschreiben, dass sie den Realitäten so nahe wie möglich kommen. Wer meint, jeder Mensch habe seine eigene Wahrheit, legitimiert damit möglicherweise auch Lügen. Wahrheit benötigt gemeinsame Wertungen oder eine kollektive Übereinkunft, deren Geltung allgemein anerkannt ist. Die Suche nach Wahrheit ist eine ständige Herausforderung.
Das Zusammenspiel von Politik und Medien wirkt häufig rituell. Offenkundig geht es Journalisten teilweise nur darum, ein bestimmtes Zitat aus dem Interviewten heraus zu kitzeln. Wenn sich Berichterstattung derart ritualisiert, wird sie für mich weniger glaubhaft. Für Journalisten ist die große Aufgabe der Zukunft, sich selbst und die eigenen eingespielten Rituale im Rahmen der Berichterstattung zu hinterfragen.
Als Tagesschau-Journalistin habe ich den Anspruch, neutral zu berichten. Fast noch wichtiger aber ist es, zu erklären, warum worüber berichtet wird. Um Vertrauen zu erhalten, müssen Medien stärker erklären, aus welchem Grund welche Nachrichten aufbereitet und gesendet werden. Sorgfältige Recherche und das Überprüfen von Informationen und Quellen müssen immer wichtiger sein als die schnelle Schlagzeile.
Um sich der Wahrheit zu nähern, müssen Journalisten mit den Menschen sprechen, anstatt immer nur über sie zu reden. Dies gilt insbesondere für das Thema Flüchtlinge. Wenn Journalisten Präsenz zeigen und sich mit den Menschen austauschen, sich ihnen nähern und Einblicke bekommen, dann schafft das Vertrauen in die Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit journalistischer Arbeit. Wo zu stark an der Personalschraube gedreht wird, haben Medien nicht die Chance, sich zufriedenstellend der Wahrheit anzunähern, denn Journalismus und gute Recherche benötigen Zeit und damit Geld.
Cross-Border-Recherchen, bei denen Journalisten aus mehreren Ländern mit unterschiedlichen Schwerpunkten zusammenarbeiten, werden immer wichtiger. Denn viele Probleme machen an Grenzzäunen nicht halt. Die Recherche-Kooperationen helfen dabei, den Blick auf solche Probleme zu richten.
Im redaktionellen Alltag ist die Zeit für Recherche oft knapp. Man kann aber schon mit kleinen Tricks und Kniffen die Struktur und die Ergebnisse der eigenen Recherchen verbessern. Wie das geht, vermitteln wir in Workshops, zum Beispiel bei der Jahreskonferenz unseres Vereins.
Wir geben mit „so geht Medien“, Lehrkräften das Werkzeug an die Hand, um Jugendliche fit zu machen für die digitale Medienwelt. Sie sollen sich zurechtzufinden in der unübersichtlichen Nachrichtenflut von heute und unterscheiden lernen zwischen seriöser Information und manipulativen Fake News. Damit legen wir eine Grundlage dafür, dass sie sich eine Meinung bilden und mündige Bürger werden. „so geht Medien“ zeigt, wie unabhängiger und unparteiischer Journalismus aussieht, auf den die Menschen sich verlassen können.
Wissenschaft hat eine Bringschuld der Öffentlichkeit gegenüber. Sie muss erklären, warum sie Dinge erforscht und muss beispielsweise auch erklären, wofür Grundlagenforschung nötig ist. Der Wissenschaft geht es dabei nicht um absolute Wahrheiten. Jede Erkenntnis ist vorläufig. Sie gilt solange, bis es neue Erkenntnisse gibt. Wichtig ist, dass andere nachvollziehen können, warum und wie ich zu meinen Ergebnissen komme.
Verschwörungstheorien liefern den Menschen bequeme Antworten. Sie erklären den Menschen, die an sie glauben, die Welt, nehmen ihnen die Sorgen und bestärken sie in ihren Empfindungen. Um sie davon loszubekommen, müssen wir sie mit ihren Sorgen und Ängsten ernst nehmen. Unsere Arbeit ist es, ideologischen Missbrauch in Form von Verschwörungstheorien aufzuklären. Das können wir nur mit Hilfe von Respekt und Verständnis.